Eine Familienaufstellung ist ein tiefgreifender und strukturierter Prozess, der es ermöglicht, Dynamiken innerhalb von Familien oder anderen Systemen zu erkennen und zu lösen. Der Ablauf besteht aus mehreren klar definierten Phasen, die jeweils eine eigene Funktion erfüllen. Hier erfahren Sie, wie eine Familienaufstellung Schritt für Schritt durchgeführt wird.
Phase 1: Problemfindung
Der erste Schritt einer Familienaufstellung ist die Definition des zentralen Anliegens. Hier beschreibt der Klient, weshalb er eine Aufstellung machen möchte. Dies könnte beispielsweise der Wunsch sein, wieder glücklich zu werden, ein belastendes Symptom zu verstehen oder eine wiederkehrende Beziehungssituation zu klären.
Ein Schlüsselprinzip in dieser Phase ist der phänomenologische Ansatz, der sich auf Fakten konzentriert, anstatt auf Interpretationen oder Urteile. Beispielsweise könnte ein Klient sagen: „Ich fühle mich ungeliebt.“ Der Moderator würde hier gezielt nach konkreten Ereignissen oder Erfahrungen fragen, die dieses Gefühl begründen könnten, um das Thema klar zu definieren.
Phase 2: Auswahl der Stellvertreter
Nachdem das Anliegen des Klienten festgelegt ist, werden Stellvertreter für die relevanten Mitglieder des Familiensystems ausgewählt. Diese Stellvertreter sind oft andere Teilnehmer der Aufstellung, die keine persönlichen Beziehungen zum Klienten haben. In einem typischen Fall könnten Vertreter für den Klienten selbst, dessen Eltern oder Geschwister und möglicherweise auch für verstorbene Familienmitglieder aufgestellt werden. Die Auswahl erfolgt intuitiv und orientiert sich an den spezifischen Bedürfnissen des Anliegens.
Phase 3: Aufstellung des Systems
In dieser Phase stellt der Klient die ausgewählten Stellvertreter im Raum auf. Dabei positioniert er sie so, wie es sich für ihn intuitiv richtig anfühlt. Der Klient bewegt sich hinter die Stellvertreter, legt die Hände auf deren Schultern und lenkt sie in die richtige Position. Dieses intuitive Platzieren ist entscheidend, da es oft unbewusste Dynamiken und Beziehungen im Familiensystem offenbart.
Ein Beispiel: Wenn der Klient einen verstorbenen Bruder und seinen Partner aufstellt, könnte die Konstellation zeigen, dass der Fokus des Klienten auf dem verstorbenen Bruder liegt, während der Partner den Klienten beobachtet. Solche räumlichen Anordnungen geben Aufschluss darüber, wo Blockaden oder ungelöste Konflikte bestehen.
Phase 4: Arbeit an der Lösung
Hier beginnt die eigentliche Arbeit der Familienaufstellung. Der Moderator befragt die Stellvertreter, was sie fühlen oder wahrnehmen. Wichtig dabei ist, dass die Antworten phänomenologisch bleiben – also ohne Interpretationen oder psychologische Deutungen. Oft zeigen sich in dieser Phase unerwartete Verbindungen oder Spannungen zwischen den Stellvertretern, die bisher verborgen waren.
Der Moderator kann auch „Bewegungen der Seele“ einleiten, bei denen Stellvertreter ohne Anweisungen durch das entstehende Energiefeld geführt werden. Solche Bewegungen können sehr intensiv sein und oft Lösungen oder Erkenntnisse bringen, ohne dass viel gesprochen werden muss.
Phase 5: Abschluss und Integration
Zum Ende der Aufstellung wird eine Lösung angestrebt, die Frieden und Harmonie in das dargestellte System bringt. Oft beinhaltet dies symbolische Gesten, wie das Zuwenden oder Umarmen der Stellvertreter. Diese Phase hinterlässt bei den Beteiligten ein Gefühl der Erleichterung und Klärung.
Ein Beispiel: In einer Aufstellung könnte der verstorbene Bruder symbolisch in das Familiensystem integriert werden, indem der Klient ihm seinen Platz zugesteht. Solche Handlungen haben oft eine versöhnende und befreiende Wirkung.
Was passiert nach der Familienaufstellung?
Eine Familienaufstellung endet nicht mit der Aufstellung selbst. Die Integration der gewonnenen Erkenntnisse in den Alltag ist entscheidend. Der Klient muss die Verantwortung für die Veränderungen übernehmen, die durch die Aufstellung angestoßen wurden. Nur so können die Ergebnisse langfristig wirksam sein.
Fazit
Eine Familienaufstellung ist ein strukturierter, aber intuitiver Prozess, der tief in die Dynamiken eines Familiensystems eintaucht. Von der Problemdefinition über die intuitive Aufstellung bis hin zur Lösung – jede Phase trägt dazu bei, versteckte Verstrickungen sichtbar zu machen und nachhaltige Veränderungen anzustoßen. Wer sich fragt, „Wie läuft eine Familienaufstellung ab?“, findet hier eine Methode, die auf emotionaler und systemischer Ebene einzigartige Einblicke und Lösungswege bietet.
Dieser Artikel wurde von Viktoria Krebs, Psychologin in Ausbildung, GORTcoaching geschrieben und stützt sich auf Informationen aus:
Manné, J. (2009). Family constellations: a practical guide to uncovering the origins of family conflict. North Atlantic Books