Burnout gehört längst zu den größten Herausforderungen der modernen Arbeitswelt. Besonders in leistungsorientierten Umfeldern steigen Erschöpfung, Zynismus, und das Gefühl von Ineffektivität – die drei zentralen Symptome des Burnout-Syndroms. Oft wird Stress dabei als der Hauptverursacher gesehen. Doch ein genauerer Blick auf das Transaktionale Stressmodell von Lazarus und Folkman zeigt: Nicht der Stress selbst, sondern unser Umgang damit ist entscheidend.
Was ist das Transaktionale Stressmodell?
Das Transaktionale Stressmodell beschreibt Stress nicht als automatisches Resultat äußerer Belastungen, sondern als individuellen Bewertungsprozess. Entscheidend ist also nicht, was passiert, sondern wie wir es bewerten und ob wir glauben, damit umgehen zu können.
Das Modell besteht aus zwei zentralen Bewertungsstufen:
- Primäre Bewertung (primary appraisal): Ist die Situation bedrohlich, herausfordernd oder irrelevant?
- Sekundäre Bewertung (secondary appraisal): Habe ich genügend Ressourcen (z. B. Fähigkeiten, Zeit, Unterstützung), um damit umzugehen?
Stress entsteht demnach nur dann, wenn eine Situation als relevant und gleichzeitig als überfordernd eingeschätzt wird.
Warum das für Burnout zentral ist
Burnout entsteht nicht zwangsläufig durch hohe Arbeitsbelastung. Viele Menschen arbeiten unter großem Druck – und blühen dabei auf. Andere erleben bei deutlich geringerem Druck starke Erschöpfung. Der Unterschied liegt in der individuellen Stressbewertung und der Verfügbarkeit von Bewältigungsstrategien (Coping).
Menschen, die in ihrer Arbeit keine Kontrolle empfinden, wenig soziale Unterstützung erfahren oder einen hohen Anspruch an sich selbst haben (z. B. Perfektionismus), neigen eher dazu, Situationen als überfordernd zu bewerten. Das Risiko für chronischen Stress – und damit Burnout – steigt.
Nicht der Stress ist das Problem – sondern das Missverhältnis
Das Transaktionale Stressmodell hilft zu verstehen, dass Burnout weniger durch äußere Stressoren, sondern durch ein dauerhaftes Missverhältnis zwischen Anforderungen und Ressourcen entsteht. Das kann auf verschiedenen Ebenen passieren:
- Individuell: unrealistische Erwartungen, mangelnde Selbstfürsorge, geringe Resilienz.
- Organisational: unklare Rollen, fehlende Anerkennung, schlechte Führung.
- Sozial: Isolation, mangelnde Unterstützung im Team oder privat.
Wer in einem konstanten Zustand der Überforderung lebt, ohne ausreichende Ressourcen zur Regeneration, läuft Gefahr, in einen chronischen Erschöpfungszustand zu geraten.
Was das für die Praxis bedeutet
Anstatt allein den Stress zu „reduzieren“, sollte der Fokus auf der Veränderung der Bewertung und der Ressourcenstärkung liegen. Dazu gehören:
- Förderung von Selbstwirksamkeit: Menschen sollten erleben, dass ihr Handeln einen Unterschied macht.
- Emotionale Regulation lernen: Techniken wie Achtsamkeit oder kognitive Umstrukturierung helfen, Belastungen neu zu bewerten.
- Soziale Ressourcen aktivieren: Austausch, Unterstützung, und Teamgefühl sind zentrale Schutzfaktoren.
- Organisationen in die Verantwortung nehmen: Strukturen und Führungskultur beeinflussen maßgeblich die Wahrnehmung von Belastung.
Fazit: Burnout ist keine Schwäche – sondern ein Warnsignal
Das Transaktionale Stressmodell macht deutlich: Stress ist kein objektives Ereignis, sondern ein subjektiver Prozess. Burnout entsteht nicht einfach „weil zu viel los ist“, sondern wenn das eigene System dauerhaft glaubt, dem nicht gewachsen zu sein. Ein besseres Verständnis für diese Dynamik kann helfen, frühzeitig gegenzusteuern – individuell und organisatorisch. Denn der Schlüssel liegt nicht im Kampf gegen den Stress, sondern im klugen Umgang mit ihm. Wenn Sie das Gefühl haben, dauerhaft überlastet zu sein, können Sie bei uns ein individuelles Burnout-Coaching in Anspruch nehmen – für mehr Klarheit, Selbstwirksamkeit und gesunde Strategien im Umgang mit Stress.
DIESER ARTIKEL WURDE VON CELIA JALAß, KLINISCHE PSYCHOLOGIN, GORTCOACHING GESCHRIEBEN UND STÜTZT SICH AUS INFORMATIONEN AUS:
Goh, Y. W., Sawang, S., & Oei, T. P. S. (2010). The revised transactional model (RTM) of occupational stress and coping: An improved process approach. The Australasian Journal of Organisational Psychology, 3, 13–20.