Burnout – Ein verbreitetes Phänomen mit geschlechtsspezifischen Mustern
Burnout gilt heutzutage als ernstzunehmende Reaktion auf chronischen Stress im Berufsleben. Typische Symptome sind emotionale Erschöpfung, Zynismus, und ein Gefühl verminderter Leistungsfähigkeit. Zwar betrifft Burnout Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter oder Branche – doch Studien zeigen immer wieder deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Besonders spannend: Die Ursachen dieser Unterschiede sind komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Frauen berichten häufiger von Erschöpfung – aber warum?
Zahlreiche Studien, unter anderem aus den USA und Europa, belegen: Frauen geben signifikant häufiger an, unter emotionaler und körperlicher Erschöpfung zu leiden. Diese Komponente ist ein zentrales Element des Burnout-Syndroms. Lange wurde angenommen, dass dies vor allem an strukturellen Faktoren liege – etwa an einer stärkeren Doppelbelastung durch Beruf und Familie oder an schlechteren Arbeitsbedingungen in typischen „Frauenberufen“.
Doch aktuelle Forschung stellt diese Annahmen infrage. Die Analyse einer US-Studie zeigt, dass weder Arbeitszeit, Position, Kinderbetreuung noch andere klassische Belastungsfaktoren die Geschlechterunterschiede beim Burnout vollständig erklären können.
Die Rolle traditioneller Geschlechterbilder
Die zentrale Erkenntnis der Studie: Es sind vor allem die Einstellungen zu Geschlechterrollen, die den Unterschied ausmachen. Frauen, die ein traditionelles Rollenverständnis vertreten – also sich selbst primär als zuständig für Familie und Fürsorge sehen – berichten deutlich häufiger von Burnout als Männer oder Frauen mit gleichstellungsorientierten Einstellungen.
Der Grund: Ein ständiger innerer Konflikt. Wenn die gesellschaftlich oder persönlich verinnerlichte Vorstellung von Weiblichkeit mit den Anforderungen im Berufsleben kollidiert, entsteht kognitiver Stress. Diese Diskrepanz kann langfristig zu emotionaler Erschöpfung führen – selbst wenn objektive Arbeitsbelastungen vergleichbar sind.
Unterschiede in der Symptomatik
Neben der Häufigkeit gibt es auch Hinweise auf Unterschiede in der Art, wie Burnout erlebt und ausgedrückt wird. Frauen neigen eher zu internalisierenden Symptomen wie Erschöpfung, Schuldgefühlen, und Rückzug. Männer zeigen häufiger externalisierende Tendenzen wie Zynismus, Reizbarkeit, oder Leistungsverweigerung.
Diese Unterschiede haben nicht nur diagnostische Relevanz, sondern beeinflussen auch die Wahrscheinlichkeit, ob und wie schnell Betroffene Hilfe suchen. Frauen sind tendenziell offener für psychologische Unterstützung, während Männer Symptome länger verdrängen – was die Chronifizierung begünstigen kann.
Was bedeutet das für Prävention und Intervention?
Die neuen Erkenntnisse betonen, wie wichtig es ist, Burnout nicht isoliert als individuelles Problem zu betrachten, sondern im Kontext gesellschaftlicher Erwartungen. Für die Praxis heißt das:
- Sensibilisierung für Rollenkonflikte: HR-Strategien und Coaching-Angebote sollten mögliche innere Widersprüche in Bezug auf Geschlechterrollen thematisieren – ohne Stigmatisierung.
- Gendergerechte Maßnahmen: Burnout-Prävention muss die unterschiedlichen Ausdrucksformen und Auslöser bei Frauen und Männern berücksichtigen.
- Kultureller Wandel: Langfristig können nur strukturelle Veränderungen – etwa die Aufweichung traditioneller Rollenmuster in Beruf und Gesellschaft – Burnout-Risiken nachhaltig senken.
Fazit: Burnout verstehen heißt Unterschiede erkennen
Burnout ist mehr als das Ergebnis von Überarbeitung – es ist oft ein Spiegel tieferliegender gesellschaftlicher Dynamiken. Wer Burnout wirksam begegnen will, muss über Arbeitszeitmodelle und Stressmanagement hinausdenken. Gerade die Förderung von Gleichberechtigung und Rollenintegration kann ein entscheidender Faktor sein, um psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken – für alle Geschlechter. Wenn Sie Unterstützung im Umgang mit Burnout suchen, finden Sie bei GORTcoaching Raum für Reflexion und gezieltes Coaching.
DIESER ARTIKEL WURDE VON CELIA JALAß, KLINISCHE PSYCHOLOGIN, GORTCOACHING GESCHRIEBEN UND STÜTZT SICH AUS INFORMATIONEN AUS:
Artz, B., Kaya, I., & Kaya, O. (2022). Gender role perspectives and job burnout. Review of Economics of the Household, 20(2), 447–470.